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  • Vor 1914 Die Wurzeln
  • 1914 - 1918 Der Erster Weltkrieg
  • 1919 Der Vertrag von Versailles
  • 1920 Volksberatung
  • 1920 - 1939 Zwischen zwei Kriegen
  • 1939 Die Wahlen
  • 1940 - 1944 Die Annektierung
  • 1945 Die Befreiung

Vor 1914

Einführung

Die belgischen Ostkantone setzen sich in der heutigen Zeit aus elf Gemeinden zusammen: neun deutschsprachige und zwei französischsprachige. Ein bei Touristen beliebtes Gebiet nahe der Hochebene des Hohen Venn.

 

Ein Gebiet, das durch den Lauf der Geschichte geeint wird, bis 1795 jedoch keine gemeinsame Identität kennt.

Die Zeit vor 1795

Im Norden dieses Gebietes findet der Ortsname « Eupen » erstmals 1213 in einer Niederschrift aus dem Herzogtum Limburg Erwähnung.  Im Laufe der Jahrhunderte wird Eupen Teil des Herzogtums Brabant sowie des Gebietes der Burgunder, der Österreicher und der Spanier.

 

Im Zentrum der Ostkantone, zwischen den Jahren 648 und 1794, ist das Schicksal der Stadt Malmedy eng mit der Abtei Stavelot-Malmedy verknüpft, die ab dem 12. Jahrhundert ein unabhängiges Hoheitsgebiet unter Fürstabt Wibald ist.

 

Im Süden wird die Region um St. Vith, die zur Abtei Stavelot-Malmedy gehörte, im Jahre 1253 Eigentum des Grafen von Luxemburg und anschließend des Königreichs der Niederlande.

Unter französischer Herrschaft

Die drei Städte werden unter französischer Herrschaft erstmals im Jahre 1795 zusammengeführt.  Malmedy wird Sitz einer Unterpräfektur des Französischen Departements der Ourthe.

Auszug aus der Wiener Kongressakte (1815)

Wien, am 3. Juni 1815, Angliederung an Preußen

Beim Wiener Kongress am 3. Juni 1815 findet nach der Niederlage des französischen Kaisers Napoléon die Neuordnung Europas statt: Die Grenzen werden neu eingezeichnet, die Staaten neu organisiert und Gebiete abgestoßen oder annektiert.

 

 

So fallen die Ostkantone in die Hände Preußens.  Eupen, Malmedy und St.Vith werden schrittweise zunächst Teil des Königreichs Preußen und von 1871 bis 1919 schließlich des deutschen Kaiserreichs.

Seite aus einem Schulheft, datiert auf das Jahr 1883

Der „Kulturkampf“ oder die „Germanisierung der Region“

In den neuen preußischen Gebieten werden bis 1866 die französische und die wallonische Sprache toleriert und von den verschiedenen preußischen Herrschern sogar geschätzt.  Doch die Machtübernahme durch Reichskanzler Otto von Bismarck läutet den „Kulturkampf“ ein.

 

Die Anwendung der deutschen Sprache wird in allen administrativen und pädagogischen Bereichen zur Pflicht – auch für die Menschen in den französischsprachigen Gemeinden Malmedy und Weismes.

 

Als Reaktion darauf intensivieren die Einwohner dieser beiden Gemeinden ihre Bemühungen zum Erhalt der wallonischen Kultur, indem unter anderem der „Club Wallon“ ins Leben gerufen wird.  Abt Nicolas Pietkin und dessen Neffe Henri Bragard gehören zu den wichtigsten Begründern, die in Ihrem Bestreben unter anderem von Abt Jules Bastin unterstützt werden.

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Anne-Marie Dandrifosse aus Malmedy, Autorin des Werkes « On disait L‘avêule » spricht über ihren Vater, der im Kampf für das Königreich Preußen im Ersten Weltkrieg erblindete.

Porträts

Abt Joseph Bastin (1870-1939)

Abt Nicolas Pietkin (1841-1921)

Henri Bragard, wallonischer Dichter (1877-1944)

1914 - 1918

1914-1918 Der Erste Weltkrieg

Die Geschichte der Ostkantone wird vom Ersten Weltkrieg in den Jahren 1914 bis 1918 geprägt.  Am 1. August 1914, in Folge starker Spannungen in ganz Europa, erklärt das Deutsche Reich Russland den Krieg.  Am darauffolgenden Tag überfällt die deutsche Armee das neutrale Luxemburg und wenig später Belgien, das den Status der Neutralität abgelehnt hatte.

 

Die Invasion des belgischen Königreichs wird durch die Fertigstellung der Eisenbahnlinie begünstigt, die die belgischen Städte Malmedy und Stavelot ab 1914 miteinander verbindet.

Die jungen Männer des preußischen Walloniens, die für den deutschen Kaiser Wilhelm II in den Krieg ziehen, sind dennoch stolz auf ihre wallonischen Wurzeln, wie dieses Dokument belegt.

Die Einwohner

Die Einwohner der Kreise Eupen und Malmedy werden in die preußische Armee eingezogen. Zahllose sterben oder werden verwundet.

 

Im Militärlager von Elsenborn, ab 1895 errichtet, können drei Brigaden mit insgesamt 4 000 bis 5 000 Soldaten untergebracht werden.

 

Während dieses Krieges gibt es in der Gegend kaum Fahnenflucht.  Im Gegenteil sind die jungen Männer – deutsch- wie französischsprachige – der Region stolz, Teil der bedeutenden preußischen Armee sein zu dürfen.  Lediglich einige wenige wallonische Widerständler werden unter Beobachtung gestellt.

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Der Werdegang von Henri Dandrifosse während des Ersten Weltkriegs.

1800 Kämpfer

1800 Kämpfer aus der Region verlieren im Ersten Weltkrieg ihr Leben, darunter etwa 400 Wallonen. Die Sterbeurkunden der an der Front gefallenen Soldaten sind unschätzbare Quellen, die die hohe Anzahl der Opfer dieses ersten industriell geführten Krieges belegen.

 

Es fällt auf, dass die Todesanzeigen der preußischen wallonischen Soldaten in französischer Sprache verfasst wurden – dies trotz des offiziellen Verbotes, Französisch als Amtssprache zu nutzen.

Fotos junger Soldaten aus der Ostkantone

Versailles, den 28. Juni 1919

Die Angliederung an Belgien

Der Waffenstillstand am 11. November 1918 zieht einen Schlussstrich unter den Ersten Weltkrieg. Er markiert den Sieg der Alliierten (insbesondere Frankreich, das britische Imperium, Italien und die Vereinigten Staaten von Amerika) und die Niederlage Deutschlands.

 

Ein Krieg, der etwa 18,6 Millionen Todesopfer, Invaliden und Verstümmelte, darunter acht Millionen Zivilisten, fordert.

 

Ab Januar 1919 versammeln sich Vertreter der alliierten Kräfte im Schloss von Versailles, um den Status Deutschlands und seiner Grenzen zu verhandeln. Die Frage um das Belgisch-Deutschland Grenzgebiet ist eines der Kernelemente dieser Verhandlungen, an denen jedoch weder die belgische noch die deutsche Seite teilnehmen.

Das Militärlager Elsenborn, von der preußischen Armee ab 1895 errichtet, ist Gegenstand der Verhandlungen.

Die Hoffnung des wallonischen Widerstands

Die Wallonen des Gebietes Malmedy, darunter Henri Bragard und Abt Bastin, wenden sich in einem Bittschreiben an den belgischen König Albert I.  Dieser soll die alliierten Kräfte interpellieren, die im Rahmen des Wiener Kongresses 1815 festgelegte Grenzziehung zu berichtigen. Diese Bitte betrifft ausschließlich das preußische Wallonien, also das geographische Gebiet, auf dem sich die Gemeinden Malmedy und Weismes befinden, und in dem Französisch gesprochen wird.

 

Die belgischen Unterhändler und die alliierten Verbände der Kriegsjahre 1914-1918 (Frankreich, Großbritannien, USA) treffen schließlich die Übereinkunft, Belgien die alten Kreise Eupen und Malmedy (inbegriffen St.Vith als Teil des Kreis Malmedy) zuzusprechen.

 

Einzige Bedingung: der zugrundeliegende Versailler Vertrag sieht eine Volksbefragung vor, um die Zustimmung der Bevölkerung bezüglich des Nationalitätenwechsels einzuholen.

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Die Volksbefragung

Diese Volksbefragung wird zwischen dem 26 Januar und dem 23. Juli 1920 durchgeführt.  Die Gegner der Annektierung müssen ihre Namen und Anschriften in zwei Register in Eupen und Malmedy eintragen.

 

Trotz einer überwiegend deutschfreundlichen Gesinnung stimmen nur 271 Unterzeichner (hauptsächlich ehemalige Reichsbeamte) von 33 726 Stimmenberechtigen für den Verbleib im deutschen Reich.

 

Die internationale Gemeinschaft gibt am 20. September 1920 offiziell die Eingliederung des Gebietes Eupen, Malmedy und St.Vith in den belgischen Staat bekannt.  Somit wird das Staatsgebiet um 1050 km2 erweitert.  Das nierenförmige Gebiet umfasst 31 Ortschaften (25 deutschsprachige und sechs französischsprachige), die unter dem Begriff der „Cantons rédimés“ (dt. etwa „die freigekauften Gebiete“) bekannt werden.

1920

1920 - 1939

Der Oberkommissar Generalbaron Herman Baltia

Die Baltia-Verwaltung

Mit Ausnahme des Gebietes Neutral-Moresnet, das als Teil der Gemeinde Kelmis unmittelbar an Belgien angegliedert wird, werden die übrigen Gemeinden der Kantone Eupen und Malmedy zunächst und während fünf Jahren unter Aufsicht einer provisorischen Regierung gestellt, der Oberkommissar Generalbaron Herman Baltia vorsteht.

 

Baltia ist ein hochdekoriertes Mitglied des belgischen Militärs, das die deutsche Sprache perfekt beherrscht.  Er soll einen sanften Übergang zwischen der bisherigen deutschen und der neuen belgischen Verwaltung gewährleisten.  Er übernimmt diese Aufgabe am 10. Januar 1920 und wird vom belgischen Premierminister mit allen gesetzgebenden und -ausübenden Befugnissen ausgestattet.

 

Die Ostkantone werden am 1. Juni 1925 definitiv Teil des belgischen Staatsgebietes. In den Folgejahren fortwährende Annäherungen mit den ehemaligen deutschen Besatzer, das Gebiet zurückzukaufen, verlaufen ins Leere.

Der besondere Fall Moresnet

Während des Wiener Kongresses 1815 stritten sich Preußen und die Niederlande um die kleine Ortschaft Moresnet, die zu dieser Zeit 256 Einwohner zählte.  Von Interesse war das Grenzdorf aufgrund der Mine „Vieille Montagne“, in der Galmeisteine abgebaut wurden, die sich hauptsächlich aus Zink und Eisen zusammensetzen.

 

Moresnet wird daraufhin in drei Teile aufgegliedert: Moresnet geht an die Niederlande (und 1830 an Belgien); Neu-Moresnet wird preußisch; der dazwischenliegende Bereich, Neutral-Moresnet, wird von beiden Staaten gemeinsam kontrolliert.

Wie eine Kleinstrepublik wird es von zwei königlichen Kommissaren regiert, die von den beiden Nationen abgeordnet werden. Während der folgenden vier Jahrzehnte verzehnfacht sich die Bevölkerung auf diesem florierenden Landstrich und wird vom Militärdienst freigestellt.

 

Das Galmeivorkommen in der Mine ist ab 1885 erschöpft, doch Neutral-Moresnet verliert den Status der Unabhängigkeit erst mit dem Versailler Vertrag von 1919.  Belgien erlangt die Obrigkeit auf diesem Gebiet, das fortan den Namen Kelmis bzw. „La Calamine“ trägt. Das bislang preußische Gebiet Neu-Moresnet wird zu jener Zeit ebenfalls belgisch, jedoch erst im Rahmen der Gemeindefusion vom 1. Januar 1977 an die Gemeinde Kelmis angegliedert, zusammen mit Hertogenrath.

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23. März 1933, „Tag von Potsdam“, Einsetzung des neuen deutschen Reichstags durch Kanzler Adolf Hilter.

Deutschland erkennt den Versailler Vertrag nicht an.

Auf deutscher Seite hat man den Versailler Vertrag und den damit einhergehenden Verlust von Staatsgebiet niemals verdaut. Der langsame Aufstieg des Nationalsozialismus und die Machtergreifung durch Hitler im Jahre 1933 lassen in den Ostkantonen die Hoffnung eines vereinten, Großdeutschen Reiches, aufkeimen.

 

Ab 1930 erarbeitet die NSDAP auf Betreiben Hitlers ihr endgültiges Programm, dessen beide erste Artikel wie folgt lauten:

 

  1. Wir fordern den Zusammenschluß aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu einem Großdeutschland.

 

  1. Wir fordern die Gleichberechtigung des deutschen Volkes gegenüber den anderen Nationen, Aufhebung der Friedensverträge von Versailles und St. Germain.

 

 

Die Ostkantone sind von diesen beiden Punkten unmittelbar betroffen und die Propaganda der Nationalsozialisten dringt mit allen Mitteln in das politische und gesellschaftliche Leben vor, um diese Ziele umsetzen.

Die prodeutsche Bewegung organisiert sich

Mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus geht in den Ostkantonen verstärkt eine antibelgische Propaganda einher.

Die Zeitung „Der Landbote“ wird 1920 in Xhoffraix ins Leben gerufen. Zunächst unter der Prämisse, landwirtschaftliche Interessen zu vertreten, wird er schnell zu einem Ventil für prodeutsche Gesinnung.  Er wird zu Beginn der 1930er Jahre zudem umfassend von Nazideutschland finanziert, bevor er verboten wird.

 

Erste prodeutsche Versammlungen finden in Eupen und Malmedy in den Jahren 1925 bis 1930 statt. Mit logistischer und finanzieller Unterstützung aus dem deutschen Reich gründen Sympathisanten politische Parteien sowie Sport- und gemeinnützige Vereinigungen.

 

Aus der belgischen Hauptstadt Brüssel folgen auf diese zunächst pro-deutschen und ab 1933 eindeutig nationalsozialistischen Bestrebungen nur zögerliche und noch dazu unzureichende Reaktionen.

Die Lokalpresse, eines der wichtigsten Werkzeuge der deutschen Propaganda

In „Der Landbote“ vom 18. Februar 1928 bezeichnet der Artikel „War Deutschland vorbereitet?“ den Versailler Vertrag als „Diktat“.

Die « Heimattreue Front », politische Partei der Ostkantone, fordert die Rückkehr nach Deutschland und veröffentlicht ab Oktober 1936 eine weitere Zeitung gleicher Gesinnung unter dem Titel „Malmedyer Zeitung“.

Um dieser Propaganda entgegenzuwirken, unterstützt die belgische Obrigkeit die Gründung einer deutschsprachigen, aber pro-belgischen Zeitung: das GrenzEcho

1939 – Die Sternstunde der Heimattreuen Front

Wahlplakate pro-deutscher Parteien zwischen 1925 und 1939

Die Wahlen – Demokratie am Scheideweg

Am 2. April 1939, wenige Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, stehen in Belgien Parlaments- und Regierungswahlen an.  In den Ostkantonen tritt die Heimattreue  Front, die vom Naziregime finanziert wird, an.  Fast jeder zweite Wahlberechtigte stimmt für diese Partei, die die Wiederangliederung an Deutschland zum Ziel hat.

Dieses Wahlresultat belegt die Spaltung der Bevölkerung in den Ostkantonen kurz vor der Invasion durch Hitlers Truppen.

Seit 1920 und dem Anschluss der Region an Belgien ist die Bevölkerung der Ostkantone in pro-deutsch Gesinnte, pro-belgisch Eingestellte und Schweiger gespalten.

Ab 1929 gewinnt jedoch eine Partei, die für die Rückkehr zu Deutschland eintritt, die Christliche Volkspartei Eupen-Malmedy-St. Vith, die Hälfte der örtlichen Wählerschaft für sich. Sie kämpfte vor allem für eine erneute Befragung der Bevölkerung, um zu bestimmen, ob die Region belgisch bleiben oder wieder deutsch werden sollte.

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Präsentation der Programme der Heimattreue Front

Der Zweite Weltkrieg 1940 -1945

Die Rückkehr nach Deutschland

Der Zweite Weltkrieg beginnt am 3. September 1939 mit dem Einfall Nazi-Deutschlands in Polen.  Daraufhin erklären Frankreich und Großbritannien Deutschland den Krieg.  Bei Tagesanbruch des 10. Mai 1940 fallen die deutschen Truppen in Belgien, den Niederlanden und ins Großherzogtum Luxemburg ein.

 

Für die Ostkantone bedeutet dies erneut eine einschneidende Veränderung.  Ein Teil der Bevölkerung nimmt die Invasion schweigend in Kauf, hat die Region bereits verlassen oder bereitet die Flucht vor – der andere Teil feiert den Einmarsch der Deutschen als Befreier.

Die Deutschen werden von einem Teil der Bevölkerung wie Befreier empfangen

Ansprache von Josef Grohé, Verwalter der besetzten Gebiete, in Eupen am 22. Mai 1940.

Im Juni 1940 sind zahlreiche Zeitungsartikel der Wiedereingliederung der Gegend ins Großreich gewidmet.

Die Annektierung der Ostkantone

Während die restlichen Landesteile Belgiens besetzt werden, wird das Gebiet der Ostkantone von den Deutschen annektiert.  In der Ausgabe des „Völkischen Beobachter“ vom 20. Mai 1940 wird das von Adolf Hitler unterzeichnete Dekret, das die Annektierung der drei Kantone Eupen, Malmedy und St.Vith anordnet, veröffentlicht.  Die Annektierung umfasst zudem folgende zehn Gemeinden, die niemals dem Deutschen Reich angehörten, in denen die Bevölkerung jedoch einen deutschen Dialekt spricht: Welkenraedt, Montzen, Moresnet, Gemmenich, Hombourg, Sippenaeken, Baelen, Membach, Henri-Chapelle und Beho.

Durch die Annektierung fällt das Gebiet unter deutsche Gesetzgebung.  Die Nazis installieren ein System, dass sich in den vergangenen sieben Jahren bewährt hat – und das nichts dem Zufall überlässt. Der Alltag der Menschen wird vom Staat und der Partei überwacht: Die Wirtschaft, der Bildungsbereich, das soziale, kulturelle und geschäftliche Leben werden  bis ins kleinste Detail kontrolliert.  Zu diesem Zweck werden zahlreiche Organisationen eingesetzt, die zugunsten der nationalsozialistischen Ideologie häufig auch untereinander kooperieren.

 

Neben den beiden Kreisen, die dem Deutschen Reich nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1919 aberkannt wurden, werden die bislang niemals dem deutschen Staatsgebiet zugehörigen Gebiete auf Grundlage folgender Argumentation annektiert: Die Anwendung eines deutsch-nahen Dialektes auf dem gesamten Gemeindegebiet beziehungsweise in Teilen der Gemeinde oder die Tatsache, dass in den Gemeinden bedeutende deutschsprachige Minderheiten leben.

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Auszug aus dem Theaterstück « Le Carnaval des Ombres » (dt. „Karneval der Schatten“) von Serge Dumoulin.

Die Zwangssoldaten in der deutschen Armee

Ab dem 23. September 1941 werden die wehrfähigen Männer aus den annektierten Gebieten in die Wehrmacht, die deutsche Armee, eingezogen.  Darauf folgen in den Ostkantonen drei unterschiedliche Formen der Reaktion:

 

Jener Teil der Bevölkerung, der den Einmarsch der deutschen Truppen begrüßt, tritt der deutschen Armee freiwillig bei;

 

 

Jene, die Fahnenflucht begehen oder sich im Widerstand organisieren;

 

Jene Zwangssoldaten , die die Einziehung in die Wehrmacht hinnehmen müssen.

Die Gestapo („Geheime Staatspolizei“) verbreitet Angst und Schrecken in der gesamten Region, um jegliche Form des Widerstandes im Keim zu ersticken.  Einige Widerständler verlassen das annektierte Gebiet und flüchten nach Belgien oder andernorts.  Jene, die bleiben, müssen mit Demütigung und Einschränkung leben.  Jene, die sich den Nazis widersetzen, werden eingesperrt, deportiert oder hingerichtet. In den drei Kantonen werden insgesamt 62 Todesopfer gezählt.

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Als 10 bis 18 Jahre altes Mädchen hätte man mich in den Bund deutscher Mädel gesteckt.
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Joseph Koerver, Zwangssoldat
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Paul Dandrifosse wird in die deutsche Armee zwangseingezogen, wo er Widerstand leistet.

Der Alltag nach der Annektierung

Nach der Annektierung rufen die Nationalsozialisten in der gesamten Region Vereinigungen ins Leben, insbesondere die Hitler Jugend.  Hier werden Mädchen und Jungen zwischen zehn und 18 Jahren von überzeugten Nationalsozialisten gedrillt. 97 Prozent der Jugendlichen im deutschsprachigen Teil und 93 Prozent der Jugendlichen im französischsprachigen Teil des Kantons Malmedy gehören der Hitler Jugend an.

Dort wird nationalsozialistisches Gedankengut gefördert; man übt Sport, Gesang, Theater aus oder bastelt; veranstaltet Unterhaltungstage und Familienabende. Dies mit dem einzigen Ziel, die Jugend darauf vorzubereiten, dem System und der Armee zu dienen. Werte wie Vaterlandsliebe, Loyalität, Respekt, Gemeinschaftsgefühl, Gehorsamkeit und Obrigkeitstreue werden glorifiziert.

 

Die nationalsozialistische Propaganda ist allgegenwärtig: in den Zeitungen, den Lichtspielhäusern, auf Plakaten.  Es gibt keine unabhängigen Radiostationen mehr.  Das Abhören des ausländischen Rundfunks, dessen Empfang systematisch gestört wird, wird unter Strafe gestellt.

In Malmedy wird der Place Albert in „Adolf Hitlerplatz“ umbenannt, „Deutschland über alles“ wird zum offiziellen Gesang In den Schulen wird Deutsch zur Lehrsprache.

 

 

Die vom Regime eingesetzten Lehrpersonen preisen, auch auf hinterlistige Weise während der Schulstunden, das nationalsozialistische Gedankengut als absolute Ideologie. Selbst der Klerus wird zu ausgewählten Anlässen verpflichtet, die nationalsozialistische Propaganda zu verherrlichen.

Versammlung der Hitler Jugend am Place du Pont neuf in Malmedy

Als männlich geltende Sportarten sind allgegenwärtig, wie beispielsweise dieser Boxkampf.

Die Indoktrinierung durch regimetreue Aufsichtspersonen beginnt bereits im Kindergarten.

In der Grundschule wimmeln die Schulhefte (in deutscher Sprache) vor Bildern des Führers oder Nazi-Idealen: Hitler-Gruß, Nazi-Helden, usw. (Aus einem Schulheft, das ab 1940 in der Gemeindeschule von Weismes genutzt wurde).

1945 – die Spuren von 25 Jahren Instabilität

Das Ende des Krieges am 8. Mai 1945

Ab September 1944 befreien die amerikanischen Truppen Belgien, die Ostkantone werden wieder belgisch. Aufgrund der Vermutung, dass sie die Deutschen unterstützt haben beziehungsweise weiterhin unterstützen, bleiben die Befreier der hiesigen Bevölkerung gegenüber misstrauisch.

 

Am 16. Dezember 1944 startet Adolf Hitler den letzten bedeutenden Gegenschlag, die Ardennenoffensive: Die Ostkantone befinden sich im Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen alliierten und deutschen Truppen.

 

Mehrere Gemetzel finden in der Region statt, darunter das wohl bekannteste: Das Massaker von Baugnez.

 

Es dauert noch bis Mitte Januar 1945, bis die deutschen Truppen die Region endgültig räumen.

Das Massaker von Baugnez

Im Morgengrauen des 17. Dezember dringt eine SS-Kolonne der deutschen Armee, angeführt von Oberstleutnant Peiper, in unsere Gegend vor. Das Ziel: Die Maasbrücken erobern und den Antwerpener Hafen über Lüttich erreichen.

 

Diese Kolonne trifft an der Kreuzung von Baugnez auf ein amerikanisches Kundschafter-Bataillon.  Ein blutiger Kampf entbricht – er ist jedoch unausgeglichen und die amerikanischen Befehlshaber verstehen schnell, dass die Lage für ihre Truppe aussichtslos ist.  Der Rückzug wird angeordnet.

 

Statt sie in Gefangenschaft zu nehmen, werden die 84 amerikanischen Soldaten vor Ort hingerichtet.

 

Link zum Museum:

www.baugnez44.be

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Anna-Katherina Sieberath befand sich in Büllingen, als die Amerikaner die Ortschaft befreiten.

Die Bombardierung von Malmedy und St.Vith

Am härtesten trifft es die Stadt Malmedy, die drei aufeinanderfolgende Bombardements seitens der amerikanischen Luftwaffe über sich ergehen lassen muss: am 23., 24. und 25. Dezember.  Die Stadt ist zu 80 Prozent zerstört; das ebenfalls bombardierte St.Vith hingegen vollständig.

 

Diese Bombardierungen fordern in Malmedy etwa 193 und in St.Vith 154 zivile Todesopfer; hinzugezählt werden müssen jene, die ihr Leben bei Kämpfen und in den Nachkriegswirren verlieren.  Von Büllingen über St.Vith bis nach Burg-Reuland werden etwa 90 Prozent der Behausungen durch den Krieg beschädigt oder zerstört.

Der Austritt der Zwangsrekrutierten aus der deutschen Armee

Der Austritt der Zwangsrekrutierten aus der deutschen Armee

 

Das Kriegsende ist in der gesamten Gegend von Verdächtigungen und Denunziation geprägt.  Innerhalb der Zivilbevölkerung werden Rechnungen beglichen.  Der Staat macht keinen Unterschied zwischen annektierten und besetzten Gebieten, Zwangsrekrutierte werden somit Kollaborateuren gleichgesetzt.

 

Von den 8700 Menschen, die gegen die alliierten Streitkräfte gekämpft haben, sind 3200 gefallen oder gelten als vermisst. Die überlebenden Zwangsrekrutierten müssen sich vor der belgischen Justiz verantworten. Sie sehen sich dem Verlust der Bürgerrechte, der Enteignung Ihres Hab und Guts sowie Gefängnisstrafen ausgesetzt.  Mütter und Ehefrauen müssen die Freilassung ihrer Söhne und Ehemänner häufig vor Gericht erstreiten und dafür hohe Anwaltshonorare aufbringen.

 

In den Ostkantonen werden 1503 Verurteilungen ausgesprochen.

Ein Ausnahmestatus

Die Anerkennung des Ausnahmestatus der Zwangsrekrutierten tritt erst 1974 in Kraft.  Von etwa 6000 Antragstellern erhalten 5000, nach Prüfung durch eine Kommission, diesen Status, der ab 1989 Anrecht auf eine Entschädigung gewährt.

 

In diesem Kontext wird das Gebiet deutscher Sprache geschaffen, das sich aus den Kantonen Eupen und St.Vith zusammensetzt.  In den frankophonen Gemeinden Malmedy und Weismes gelten Spracherleichterungen für Deutschsprachige.

 

Die Grenzbevölkerung lässt diese gemeinsame Vergangenheit sowie die damit einhergehenden Spannungen Schritt für Schritt hinter sich und überwindet somit mehr als 50 Jahre der Identitätssuche.

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